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Chicken-Busse für Dummies

Chicken-Busse, also alte amerikanische Schulbusse, sind praktisch in ganz Mittelamerika im Einsatz. In Guatemala ist die Fahrt mit diesen Bussen aber besonders anstrengend.

Nachdem die Busse zuvor eben Schulbusse waren, sind die Sitzbänke meist auf (nicht übergewichtige) Schulkinder ausgelegt. Während aber andernorts der Mittelgang sogar breit genug ist, um seinen Rucksack abzustellen und trotzdem noch genügend Platz fürs Vorbeigehen zu haben (wie beispielsweise in El Salvador), kann es in Guatemala vorkommen, dass der Gang so schmal ist, dass man sich seitwärts durchquetschen musst, weil man seine beiden Beine nebeneinander nicht unterbringt. Auf den Bänken drängen sich, wenn viel los ist (also praktisch immer), üblicherweise drei Personen pro Bank – wobei der dritte mitunter nur noch eine halbe Pobacke auf der Sitzfläche unterbringt. Die Guatemalteken haben aber die faszinierende Fähigkeit, es sich selbst im Gang noch (sitzend!) bequem zu machen, auch wenn sie scheinbar nur mit dem äußersten Rand ihres Hinterns noch auf der Sitzbank unterkommen.

Trotz dieser überaus effizienten Platznutzung lässt es sich meist nicht vermeiden, dass manche im Bus stehen müssen. Ist man größer als rund 1,90 Meter, kann man das üblicherweise nicht aufrecht tun – außer im Bereich der (einen) Dachluke, wo einem ein paar Zentimeter mehr zur Verfügung stehen. So gesehen muss man sich mitunter entscheiden, ob man Kopf oder Beine einziehen möchte. Am meisten Chancen auf eine einigermaßen erträgliche Fahrt hat man, wenn man bereits im Busbahnhof, wo der Bus seine Fahrt beginnt, einsteigt. Manchmal haben nämlich nicht alle Sitzreihen den gleichen geringen Sitzabstand – gelegentlich gibt es doch ein oder zwei Reihen, wo selbst ein großer Europäer (fast) hineinpasst.

Wenn man es sich dann (so gut es eben geht) gemütlich gemacht hat, muss man noch die Fahrt überleben. Die Busfahrer legen nämlich oft eine halsbrecherische Fahrweise an den Tag – man glaubt gar nicht, wie sehr man mit so einem alten Schulbus rasen kann. Wenn sich der Bus auf der Fahrt entlang einer kurvigen Schnellstraße durch die Berge mit einem wahnsinnigen Tempo in die Kurve legt, dann wünscht man sich, dass man seinen Rucksack trotz des engen Raumes doch bei sich behalten hätte, anstelle ihn aufs Dach schnallen zu lassen – denn dadurch wird ja der Schwerpunkt höher. Ein umgestürzter LKW (der verblüffenderweise genau dort aus der Kurve gefallen ist, wo es nicht gleich neben der Straße steil bergab geht, sondern wo es eine kleine ebene Fläche gibt) erhöht dabei nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl.

Immerhin ist diese Art der Fortbewegung (im Gegensatz zu den Touristen-Shuttles) wirklich spottbillig. Gezahlt wird übrigens weder beim Ein- noch beim Aussteigen. Vielmehr gibt es in jedem Bus einen Assistenten, der einerseits für das Ausrufen der Zieldestination an den Haltestellen zuständig ist, und andererseits eben auch regelmäßig durch den Bus geht, um von den neu zugestiegenen Fahrgästen den Fahrpreis zu kassieren. Im Gegensatz zu El Salvador, wo das mit einem Zischen von "Ksss-sss-sss-sss" untermalt wird, während jedem Fahrgast die hohle Hand unter die Nase gehalten wird, läuft das aber immerhin recht unaufdringlich ab. Ist man allerdings in einem Bus mit einem wie eingangs geschilderten engen Gang unterwegs, und der Assistent bringt einen größeren Bauchumfang mit, dann bekommt man zumindest an einem Gangplatz ohnehin immer mit, wenn eine weitere Geldsammelrunde im Gange ist.

Doch dieser Gehilfe ist nicht der einzige, der sich seinen Weg durch den vollen Bus bahnt: Bei jedem größeren Stopp warten unzählige fliegende Händler darauf, ihre Waren loszuwerden. Meist sind das Getränke, Snacks oder sonstiges Essen; manchmal aber auch Salben, Pillen oder Taschenlampen.

Der Grund, warum die Busse dermaßen vollgestopft werden, ist wohl auch, dass der Fahrer und sein Assistent vermutlich direkt an den Einkünften beteiligt sind, wenn sie nicht gar auf eigene Rechnung unterwegs sind. Zumindest ist jeder Bus individuell verziert, sodass man annehmen muss, dass die Busse die erweiterten Wohnzimmer der Fahrer sind. Besonders beliebt sind Aufkleber von Figuren der amerikanisch-westlichen Jugendkultur (wie Micky Maus, Donald Duck, Bugs Bunny, Road Runner und Coyote oder Super Mario); man sieht aber beispielsweise auch Fan-Schals des FC Barcelona. Ebenso darf zumindest ein Aufkleber mit christlich-religiösem Hintergrund nicht fehlen. Wenn dann aber nicht nur der Platz über der Windschutzscheibe mit Aufklebern verziert, sondern auch der innenliegende Rückspiegel und ein Teil der Windschutzscheibe mit kleinen runden Spiegeln (wie man sie an Außenspiegel befestigen kann, um den toten Winkel zu verkleinern) bedeckt ist, sodass man sich fragt, ob der Fahrer überhaupt noch etwas von der Straße sieht, kann man sich nur sagen: Der Fahrer will doch auch lebend nach Hause kommen, oder?

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