Heute bin ich auf dem Weg zur Küste mit dem Zug sehr nahe an jenem Ort vorbeigekommen (und habe daher auch dort einen Zwischenstopp eingelegt), der wohl am ehesten als der litauische Wallfahrtsort bezeichnet werden kann. Es handelt sich dabei um eine Ort, der seit dem 19. Jahrhundert für seinen heutigen Zweck genutzt wird, und der während der Sowjetherrschaft gewissermaßen Schauplatz eines wahren Kampfes um das Recht der Religionsausübung wurde: der Berg der Kreuze.
Auf diesem Hügel (eigentlich sind es sogar drei) wurden (mehr oder weniger beginnend mit den litauischen Aufständen gegen den Zarismus in den Jahren 1831 und 1863) abertausende Kreuze aufgestellt. Während der Sowjetherrschaft wurden diese von der Obrigkeit immer wieder mit dem Bulldozer niedergewalzt und/oder verbrannt, aber die lokale Bevölkerung hat immer wieder neue aufgestellt.
Heute ist die Ansammlung unglaublich beeindruckend; man schätzt sie derzeit auf rund 15.000 Kreuze. Obwohl ich diese Zahl vorher in meinem Reiseführer gelesen habe, war ich von der Dimension schlicht überwältigt. Leider hatte ich nur wenig Zeit, denn ich habe mich – nachdem mein Zug fast eine Stunde Verspätung hatte, der Busbahnhof natürlich irgendwo, aber nicht beim Zugbahnhof liegt, und ich so den Bus verpasst habe – per Taxi hinaus chauffieren lassen, und mir unüberlegterweise nur einen Aufenthalt von einer Viertelstunde ausbedungen. Dass 1000 Kreuze pro Minute nicht gerade wenig sind, hätte ich mir eigentlich denken können; dass der Fußweg vom Parkplatz zum ersten Hügel auch noch fast fünf Minuten dauert, ist noch erschwerend hinzugekommen.
So bin ich halt mehr durchgehetzt, und habe bei weitem nicht das gesamte Areal erkunden können. Doch allein schon der erste Anblick vom Taxifenster aus wird mir sicherlich in Erinnerung bleiben, so beeindruckend war diese riesige Ansammlung an Kreuzen bereits aus der Ferne.
Vor der Weiterfahrt habe ich dann auch einen kleine Stadtspaziergang in Šiauliai (jenem Ort, wo sich der Bahnhof befindet) gemacht, und war überrascht wie modern und sauber die Innenstadt ist: Eine mit Bäumen, Cafés und Geschäften gesäumte Fußgängerzone zieht sich quer durch die Stadt; die größeren Plätze sind in der Mitte mit kleinen Parks begrünt.
Wie groß ist da dann der Kontrast zu den Plattenbauten, die nur fünf Minuten Fußmarsch von der Innenstadt entfernt liegen. Noch größer ist der Kontrast nur noch zu den am Land vorherrschenden Holzhäusern (wie auch das nebenstehende Bild eines zeigt), die teilweise schon leicht baufällig wirken – und von denen ich gar nicht wissen möchte, wie man in ihnen im (hierzulande ja recht kalten) Winter wohnt.