Nachdem ich gerade zehn Tage in Montenegro (und auch einige Stunden in Serbien) verbracht habe, möchte ich nun einen kurzen humoristischen Blick auf so manche Eigenheiten dieser Region werfen.
Fortbewegung
- Wer in Serbien und/oder Montenegro mit dem Zug unterwegs ist, darf es nicht eilig haben: Mit Zugverspätungen von bis zu zwei Stunden (auf der rund zehnstündigen Fahrt von Belgrad nach Bar) ist zu rechnen.
- Manche Bahnhöfe in Montenegro sind anscheinend nur per Bahn erreichbar. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand den steilen, schottrigen Abhang, der unmittelbar hinter einigen Haltestellen in der Morača-Schlucht beginnt, zu Fuß (geschweige denn per Auto) bewältigt. Warum der Zug dann dort überhaupt hält, bleibt mit ein Rätsel.
- Das Rauchverbot in Nichtraucherwagons gilt nicht am Gang, und selbst im Abteil nicht für den Schaffner.
- Der "1. Klasse"-Liegewagen auf der Strecke von Belgrad nach Bar hat den Charme eines 2.-Klasse-Abteils in einem 80er-Jahre-Zug der ÖBB.
- Die Straße als Alternative zu einer Bahnfahrt hat auch ihre Tücken: Speziell in Montenegro sind die (Berg-)Strecken sehr kurvenreich. Gottseidank ist an praktisch jedem Felsen die Handy-Nummer des nächsten "Auto Šlep" aufgesprüht, und in Podgorica gibt es auch ein "Auspuh Servis".
- Auch auf Flugreisende scheint Montenegro noch nicht wirklich eingestellt zu sein: Das Angebot am internationalen Flughafen in der Hauptstadt Podgorica beschränkt sich auf ein kleines Café (das immerhin sowohl im Check-In-Bereich, als auch in der Transithalle seine Waren verkauft). Im (vor allem für den Charter-Verkehr wichtigen) Flughafen Tivat gibt es (außerhalb des Cafés, das diesmal nur in der Check-In-Halle verkauft) gezählte neun (!) Sitzplätze für wartende Fluggäste.
- Zu guter Letzt lässt der Zustand der Wanderwege (teilweise komplett überwuchert, selbst im angeblich ausgezeichnet beschilderten Durmitor-Nationalpark lassen die Wegmarkierungen sehr zu wüschen übrig) vermuten, dass auch Zu-Fuß-Gehen nicht die bevorzugte Fortbewegungsart der Montenegriner ist.
Essen
- Während Serbien und Montenegro ein Paradies für Fleischesser ist, müssen Vegetarier und/oder (Weizen-)Allergiker schier verzweifeln: Das typische lokale Essen ist u.a. Pleskavica (faschierte Laibchen) oder Ćevapi (faschierte Fleischröllchen), eventuell in ein großes Stück fladen-ähnliches Weckerl verpackt.
- Auch Ernährungsexperten werden beim Anblick von so manchem Supermarkt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Ich habe noch nie so große Süßwarenabteilungen gesehen wie in Montenegro – einige Supermärkte haben gar fast die Hälfte (!) der Verkaufsfläche den Süßigkeiten und Knabbereien gewidmet.
Zeitungen und Zeitschriften
- In Belgrad gibt es eine Tageszeitung mit dem Namen "Tabloid". Ob der Inhalt der englischen Bedeutung des Begriffs (Schundblattl; Anm.) entspricht, konnte ich mangels Serbisch-Kenntnissen nicht überprüfen.
- In Montenegro wurde offensichtlich eine neue Zeitschriften-Gattung erfunden: Porno-Kreuzworträtsel. Zumindest kann ich mir nicht anders erklären, warum sich eine leicht (um nicht zu sagen: gar nicht) bekleidete junge Dame inmitten eines Kreuzworträtsels auf der Titelseite eines Magazins räkelt.
Jüngste Geschichte
Während man vielerorts in Serbien und Montenegro (und auch andernorts am Balkan, soweit ich das beurteilen kann) nur noch wenig von den Nachwirkungen des Balkankriegs mitbekommt, so sitzen allerdings die Wunden des NATO-Angriffs 1999 bei einigen Serben, aber auch manchen Montenegrinern, ziemlich tief. Ein Touristenführer auf meiner Tour zu den Ostrog-Klöstern sieht die Kosovo-Frage beispielsweise so:
The NATO forces occupied a region of Serbia which is called Kosovo Metohija, a christian homeland. They started a new country there, a muslim country …
Es bleibt nur zu hoffen, dass mit der Zeit auch diese Wunden heilen, und die verbleibenden Ressentiments zwischen den Volksgruppen (und vor allem den Religionen) immer weniger werden.