Ich weiß nicht so recht, was ich von Tbilisi (Tiflis) halten soll: Einerseits gibt es viele nette kleine Gasserln, die zum Schlendern einladen, andererseits ist die Stadt andernorts auch stinkig und laut.
Bereits bei meiner Fahrt vom Flughafen in die Stadt habe ich einen Eindruck vom georgischen Autoverkehr bekommen: einfach verrückt! Verglichen mit den anderen Autos hatte ich zwar den Eindruck, dass mein „Taxi“-Fahrer(*) das Nahe-Auffahren, rücksichtslose Überholen und exzessive Übertreten der Geschwindigkeitsbeschränkung ganz besonders gut drauf hatte, aber einen gewissen Wahnsinn kann man wohl kaum einem georgischen Autofahrer absprechen. Das macht – in Kombination mit fast völlig fehlenden Ampeln (selbst für Autofahrer, geschweige denn für Fußgänger) und Zebrastreifen – einen Stadtspaziergang natürlich zur Herausforderung.
Noch dazu habe ich meine Erkundungstour entlang des Mtkvari-Flusses begonnen, den zu beiden Seiten eine mehrspurige Straße säumt. So war ich sehr froh, als ich in der Altstadt (durch die sich natürlich auch die Autos schieben) eine Stiege auf den Festungshügel entdeckt habe – zumindest dort ist man vor Autos auch in Tbilisi (noch?) sicher.
Ich habe dann geraume Zeit mit der Erkundung dieses Hügels verbracht, an dessen Rückseite dann plötzlich eine grüne Oase aufgetaucht ist: der Botanische Garten. So konnte ich insgesamt mehrere Stunden abseits des Autoverkehrs verbringen, und dabei (von der Festung) auch tolle Blicke auf die Stadt genießen.
Danach musste ich aber feststellen, dass die Hauptstraße durch die Altstadt wieder mehr den Autos denn den Fußgängern gewidmet ist. Beinahe noch überraschender (wenn mich mein Reiseführer nicht schon vorgewarnt hätte) war dann, dass die daran anschließende Flanier-Promenade, die offensichtlich auch bei der lokalen Bevölkerung sehr beliebt ist, eine viel befahrene, sechsspurige (!) Straße ist. Dazu kommt, dass die einzige offizielle Möglichkeit für Fußgänger, über die Straße zu kommen, ein paar Unterführungen (die man auch als dunkle Löcher im Boden bezeichnen könnte) sind. Das reduziert aus meiner Sicht halt ein wenig den Charme der schönen Gebäude, die diese Straße säumen. (**)
Danach habe ich auch in der Altstadt noch ein paar nette, ruhige Gässchen entdeckt. Doch auch dort finden sich schmucke Häuschen praktisch direkt neben verfallenden Bruchbuden. Insgesamt kann man also sagen: Die Gegensätze sind groß hier in Tbilisi.
Heute war das Wetter leider nicht mehr so schön wie gestern: Ich habe es gerade noch zum Bahnhof und zurück(***) geschafft, um mir ein Zugticket für meine morgige Weiterreise zu kaufen, bevor es zu regnen begonnen hat. So habe ich halt zwei Museen besucht:
Das Georgische Nationalmuseum zeigt Fundstücke von Ausgrabungen aus dem ganzen Land, darunter eine große Zahl von sehr beeindruckend Goldschmiedearbeiten – wer hätte gedacht, zu was die Leute bereits im dritten vorchristlichen Jahrtausend (!) fähig waren. In einer weiteren (temporären) Ausstellungen habe ich einiges über Waffen des 17. bis 19. Jahrhunderts gelernt. Man schenkt zum Beispiel nicht so einfach ein Gewehr her, sondern schreibt auch darauf: Oh Gewehr, schau, du wirst an König Konstantin [als Geschenk] gegeben.
Außerdem machen Dolche offensichtlich mitunter Eigenwerbung (ebenfalls durch Aufschrift): Ich bin ein ausgezeichneter Dolch, gut für einen Kampf.
Eine weitere Ausstellung über die sowjetische Besatzungszeit hat gezeigt, wie sehr die stolzen Georgier unter der Fremdherrschaft gelitten haben. In der Nationalgalerie ist aber auch klar geworden, dass den Georgiern ebenso die Konflikte der letzten zwanzig Jahr (die zu über einer halben Million Binnenflüchtlingen bei nur vier Millionen Gesamtbevölkerung geführt haben) zu schaffen machen.
Abschließend habe ich in erwähnter Nationalgallerie wieder einmal festgestellt, dass ich offensichtlich ein Kunstbanause bin. Zumindest war ich bei manchen Werken von Niko Pirosmanashvili, dem (wie ich später erfahren habe) bekanntesten georgischen Maler, der Meinung, dass der Künstler einen eigentümlichen Blick auf die Realität hat. Sein Löwe schaut für mich beispielsweise so aus, als wäre er selbst erstaunt/erschrocken darüber, wie er denn ausschaut.
(*) Die Anführungszeichen deshalb, weil der Fahrer mich zwar beim Taxistand aufgegabelt hat, wir dann aber zu seinem Privatauto am allgemeinen Parkplatz marschiert sind.
(**) Ob sich das Touristen über den Wiener Ring auch denken? Man muss aber sagen, dass der Verkehr am Ring verhältnismäßig ruhig ist – und es gibt Zebrastreifen! Mit Ampeln! (Welch eine Errungenschaft!)
(***) Die Fahrt dorthin war schon ein Abenteuer für sich in dem Minibus ohne freien Sitzplatz, sodass man im ca 1,80 Meter hohen Gang stehen muss, ohne zu sehen, wo der überhaupt hinfährt.