Nicaragua für Dummies

Nachdem ich in wenigen Stunden bereits nach Costa Rica aufbreche, wird es Zeit, meinen Nicaragua-Aufenthalt auch abseits der Touristen-Attraktionen Revue passieren zu lassen.

Essen und Trinken

  1. Man sollte nicht nach Nicaragua fahren, wenn man eine tiefe Abneigung gegen Bohnen hat. Kann man sie jedoch nur nicht besonders gut leiden, dann ist alles in Ordnung – spätenstens nach zwei Wochen hat man sich (nach eigener Erfahrung) daran gewöhnt, und kann sich kaum ein (warmes) Essen mehr ohne sie vorstellen (so ganz nach dem Motto: "Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster? Aber geh, Tortillas mit Bohnenpaste muss es sein!").
  2. Ich habe noch nie so große Papayas gesehen wie in Nicaragua – so groß wie Kürbisse!
  3. Die Bananen in Nicaragua schmecken wirklich anders als in Österreich.

Straßen und Transport

  1. In Nicaragua wird noch viel auf gute alte Handarbeit gesetzt. Selbst auf Baustellen wird anstelle eines Presslufthammers (!) reine Muskelkraft eingesetzt, indem man einfach ein paar Männer mit überdimensionalen Meißeln ausstattet, die diese mit voller Kraft in den Asphalt rammen.
  2. Die Straßen sind überhaupt stellenweise etwas außergewöhnlich: Zwischen Masaya und der Laguna de Apoyo (auf einer Überlandstraße also, und nicht etwa in der Stadt) ist die Straße nicht asphaltiert, nicht geteert und auch nicht geschottert, sondern gepflastert – jeder einzelne Pflasterstein von Hand verlegt!
  3. Innerhalb der Städten wird das Straßensystem dann gänzlich verwirrend – Nicaragua kennt nämlich praktisch keine Straßennamen! Nur die größten, wichtigsten Straßen und/oder Plätze tragen Namen, und auf diese (oder auch auf Kirchen, Denkmäler, etc.) bezieht man sich dann. So lautet die Adresse eines Hotels schon mal De la Iglesia San Felipe 1½ al sur ("Von der Kirche des heiligen Philipp eineinhalb Häuserblöcke nach Süden"). Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass

    1. statt "este" bzw. "oeste" ("Ost" bzw. "West") anscheindend immer "arriba" bzw. "abajo" ("hinauf" bzw. "hinunter") zum Einsatz kommt (denn schließlich geht die Sonne ja im Osten auf und im Westen unter!), und
    2. die referenzierten Fixpunkte manchmal Beschreibungen wie "von dem Ort, wo früher einmal das alte Denkmal gestanden ist" sind.
  4. Das Bussystem vertraut voll und ganz auf alte US-Schulbusse. Leider sind Sitzbreite bzw. Sitzabstand auf die Hinternbreite und Beinlänge von (nicht übergewichtigen) amerikanischen Schulkindern ausgelegt, sodass selbst Nicaraguaner (die im Allgemeinen ein sehr kleines Volk sind) manchmal Probleme haben – ganz zu schweigen von Europäern wie mir.
  5. Jeder dieser Busse ist dem Anschein nach ein eigenständiges Privatunternehmen. Dementsprechend heftig wird mit unter um Fahrgäste geworben. Da wird schon mal lauthals das Fahrziel angeboten ("ManaguaManaguaLaUCAManaguaManagua"), ohne Pause zum Luftholen – wenn sie könnten, würden sie wohl mit sich selbst im Kanon schreien. Das hat dann zur Folge, das mitunter der Bus so vollgestopft ist, dass viele Leute stehen oder gar am Dach sitzen müssen. Trifft das Los eines Stehplatz einen Europäer wie mich, kann das schon mal auf die Halswirbelsäule gehen.
  6. Die Busse sind auch gleichzeitig Verkaufsplätze für die Tausenden Straßenhändler, die es in Nicaragua gibt. Bei der ersten Busfahrt zeitig in der Früh war ich eher überrascht von den Marktfrauen, die Obst, Brot oder sonstige kleine Snacks anbieten – aber das war noch das Harmloseste. Während es wohl gewöhnungsbedürftig ist, sein Mittagessen (z.B. Huhn mit Reis) oder sein Getränk (!) im Plastiksackerl serviert zu bekommen, so sind manche andere Güter noch viel überraschender. Unter anderem wurden mir folgende Artikel angeboten:

    • Haarspangen
    • Kämme
    • Flip-Flops
    • Socken
    • Pickerl (von Barbie bis Jesus – und die wurden tatsächlich vor meinen Augen verkauft!)
    • Kopfwehtabletten, die auch gegen Vergesslichkeit (!) helfen sollen (auch dafür haben sich Abnehmer gefunden – im Einzelverkauf, ohne Beipackzettel oder dergleichen)
    • Messer
    • Superkleber
    • Taschenrechner
    • Universal-Fernbedienungen (!)

    Ich frage mich ernsthaft, wer wohl in einem Langstreckenbus unterwegs ist und sich plötzlich denkt: "Ach ja, ich brauch' ja noch eine Universal-Fernbedienung für daheim!"

Natur und Umweltschutz

  1. Man sollte nicht nach Nicaragua fahren, ohne genau über das enorm laute und geradezu furchteinflößende Geschrei der Brüllaffen Bescheid zu wissen. Sonst geht es einem wie einem mir bekannten schwedischen Touristen, der sich mitten im nicaraguanischen Wald plötzlich in der Nähe eines Löwen wähnte (ja, die sind wirklich laut!).
  2. Jeder der oben erwähnten Busse ist in jeder Sitzreihe mit einem großen Mistkübel ausgestattet. Sollte es durch die Mistkübelöffnung zu sehr hereinziehen, so kann man das Fenster auch schließen.
  3. Das städtische Recycling-Programm von San Juan del Sur sieht beispielsweise wie folgt aus: Der Müll wird auf einem großen Hang verteilt, und an strategischen (?) Stellen angezündet.

Religion und Glaube

  1. Nicaragua ist ein sehr religiöses Land. In León hatte ich beispielsweise das Gefühl, dass immer in zumindest einer der (unzähligen) Kirchen eine Messe stattfindet – sollte plötzlich einmal ein theologischer Notfall eintreten.
  2. Gleichzeitig glaubt man aber auch an Erscheinungen wie die Carretanagua oder den Cadejo. Bei ersterem handelt es sich um einen von Gevatter Tod gelenkten Ochsenkarren, bei letzteren um eine hundeähnliche Sagengestalt in weiß oder schwarz – je nach Farbe bringt er entweder Glück (weiß) oder Unglück (schwarz).
  3. Bei so vielen Bussen, Taxis und sonstigen beweglichen und unbeweglichen Objekten, die laut Aufklebern und/oder Aufschriften eine "Bendición de Dios" (Segnung Gottes) sind, hat Er hier trotzdem viel zu tun.
  4. Bei der Evolutionstheorie fängt außerdem auch wieder der Glaube an: Meine beiden Spanischlehrerinnen in San Juan del Sur konnten sich partout nicht vorstellen, dass der Mensch und der Affe gemeinsame Vorfahren haben.

Sicherheit

  1. Vor jeder Bank steht mindestens ein Wachmann, der mit Pistole, halbautomatischem Gewehr, Maschinengewehr und/oder kugelsicherer Weste ausgestattet ist.
  2. Nicaragua gilt als das sicherste Land in Mittelamerika, und (nach Kanada) als das zweitsicherste in ganz Amerika.

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