In den letzten drei Tagen bin ich im Rahmen einer Tour von Quetzaltrekkers von Xela (oder, genauer gesagt, vom Ort Xecam nahe Xela) zum Lago de Atitlán gewandert. Die Wanderung über rund 42 Kilometer war anstrengender als gedacht, aber die schönen Ausblicke (vor allem am letzten Tag über den See) haben für die Strapazen entschädigt.
Begonnen haben wir gleich mit einem der anstrengensten Teilstücke: einem rund zweistündigen Aufstieg durch den Wald zu unserem höchsten Punkt auf 3.050 Meter. Das klingt im ersten Moment nicht so schlimm, aber ich habe es dann doch anders empfunden: War es noch eine gewisse Müdigkeit in den Beinen nach meiner Vulkanbesteigung, der (gefühlt) schwerere und schlechter sitzende Rucksack, oder einfach das etwas höhere Tempo, das unser Guide vorgelegt hat – irgendwelche Muskeln in meinen Beinen haben sich die ganze Zeit über die Anstrengung beschwert.
Oben angekommen sind wir dann für kurze Zeit durchs hohe Gras einer sehr pittoresken Wiese gewatet, bevor der nächste Dämpfer gekommen ist: Der Weg war so staubtrocken, dass wir bei jedem Schritt die Erde aufgewirbelt haben und so praktisch permanent in unser eigenen Staubwolke unterwegs waren. Das hat dann auch sehr an meiner Motivation gezehrt.
Kurz vor der Mittagspause sind dann unter uns einige Wolken eingefallen, was aber ein sehr pittoreskes Bild ergeben hat. In der Ferne konnten wir auch die Vulkane des Lago de Atitlán aus den Wolken auftauchen sehen. In Kombination mit einer ausgezeichneten Mittagsjause(*) hat das meine Stimmung wieder gehoben.
Am Nachmittag ist es dann für einige Zeit durch den Nebelwald gegangen, der seinem Namen wieder alle Ehre gemacht hat. Abschließend mussten wir allerdings noch eineinhalb Stunden auf einer unasphaltierten Straße zurücklegen, was sich aus meiner Sicht sehr gezogen hat. Wir waren wohl alle froh, als wir in unserem Nachtquartier in Santa Catarina angekommen sind. Zur Entspannung (und zumindest zur groben Säuberung) gab es dann noch einen Besuch im Temazcal (Maya-Sauna), wo man sich in einem kleinen heißen Raum mit einer Mischung aus kaltem und heißen Wasser übergießt – eine interessante Erfahrung.
Am nächsten Tag ist es zuerst gemütlich leicht auf und ab dahin gegangen, bevor wir zum Record Hill gelangt sind. Dieser kleine Hügel ist bei normalem Tempo in ungefähr 20 Minuten zu erklimmen; der Rekord liegt bei sieben Minuten. Als ich diese Zahlen gehört habe, wollte ich mich am Wettbewerb eigentlich nicht beteiligen. Dann hat es aber geheißen, dass jeder, der schneller als 13 Minuten ist, ein T-Shirt als Belohnung bekommt. Diese Zeit ist mir im Rahmen des Möglichen erschienen, und mein Ehrgeiz war damit geweckt.
Wir sind im Zwei-Minuten-Abstand gestartet, um uns nicht gegenseitig zu behindern (weil der Weg sehr schmal ist und daher kaum ein Überholen erlaubt). Ich bin es fast zu schnell angegangen und habe alsbald wie eine Dampflok geschnauft. Als ich aber recht bald schon die vor mir gestartete Teilnehmerin überholt habe, war klar, dass entweder ich sehr schnell bin oder sie sehr langsam ist. Einige Male wäre ich fast stehengeblieben, um die schöne Aussicht zu genießen, aber ich habe mir gesagt, dass sie von ganz oben wohl noch schöner sein muss, also bin ich weitergehastet.
Oben angekommen war ich ganz schön außer Atem – obwohl die anderen gemeint haben, dass ich einen sehr entspannen Eindruck gemacht habe. Nachdem jedoch der Akku meines Handys leer war, musste ich meine Zeit stoppen, indem ich bei Start und Ziel ein Foto mit meiner Kamera gemacht habe. Leider zeigt sie aber nur die vollen Minuten (und nicht die Sekunden) an, sodass ich nur feststellen konnte, dass ich zwischen 12:01 und 13:59 Minuten gebraucht habe. Mir wurde trotzdem ein T-Shirt versprochen. (**)
Der Wettbewerb war auf jeden Fall eine gute Idee, denn so war dieser doch recht steile Anstieg weniger eine Qual als ein Ansporn. Danach hat uns ohnehin noch Record Mountain erwartet, ein weiterer (aber weniger steiler) Anstieg. Anschließend gab es als Belohnung aber immerhin ein Eis – zumindest für jene, die sich in einem Entwicklungsland ein Eis essen trauen. Ich bin da ja seit meinem Erlebnis in Taiwan sehr vorsichtig geworden (und habe dementsprechend auch diesmal darauf verzichtet).
Danach war der Weg gottseidank ein wenig erholsamer – und auch sehr pittoresk: entlang von (vorwiegend Mais-)Feldern, durch den Wald und schließlich in ein Flusstal hinein, wo wir den Fluss acht Mal auf Steinen überqueren mussten. Ganz zum Schluss hat uns allerdings noch das Corn Field of Death erwartet, das aber ominöser klingt als es tatsächlich ist. Trotzdem war ich abends wieder ziemlich müde und daher recht früh im Schlafsack.
Das war aber ohnehin notwendig, denn am nächsten Morgen sind wir um 3:30 Uhr aufgestanden und haben ab 4:00 Uhr den einstündigen Aufstieg zu einem Aussichtspunkt über dem Lago de Atitlán in Angriff genommen. Das hat sich aber wirklich gelohnt, denn der Sternenhimmel und der Sonnenaufgang von dort waren wirklich fantastisch.
Als gegen 7:30 Uhr eine Gruppe von knapp 50 (!) Israelis aufgetaucht ist, haben wir rasch Reißaus genommen und sind ans Seeufer abgestiegen. Nach einem Kaffee (und/oder Fruchtsaft) in der La Voz Coffee Cooperative in San Juan La Laguna (also schon am Seeufer) ist es dann mit einem Pickup in den Zielort San Pedro de la Laguna gegangen, wo wir nach einem letzten gemeinsamen Mittagessen schließlich Lebewohl sagen mussten.
San Pedro de la Laguna hat sich dann als sehr touristisch herausgestellt: Auf dem knapp viertelstündigen Spaziergang ins Hotel sind mir auf der Straße nur offensichtliche Touristen begegnet. Das hat mir wenig Lust auf einen Stadtspaziergang gemacht. Gottseidank haben mich drei meiner Zimmerkollegen (eine Mexikanerin und zwei Schweden) dann doch noch zu einem gemeinsamen überredet. Etwas abseits der Hauptstraße haben wir dann nämlich auch Einheimische getroffen, und vor der Kirche sind wir sogar auf ein paar Alfombras (kunstvolle Sand- oder Blumenteppiche mit religiösen Motiven) gestoßen. Schließlich haben wir noch in einem veganen (!) mexikanischen Restaurant mit einem sehr freundlichen mexikanischen Besitzer (und gleichzeitig Koch) zu Abend gegessen. So ist es doch noch ein netter Abend geworden.
(*) Brot und/oder Nachos mit Bohnenpaste, Guacamole und kleingeschnittenem Gemüse (Gurken, Karotten, Paprika, Tomaten und Zwiebel) in einer Menge, die eine aus unserer Gruppe zu der Bemerkung veranlasst hat: Wenn ihr nicht gerade eine Wandertour führt, dann schneidet ihr also Gemüse.
(**) zu recht, wie sich herausstellen sollte: 12:46 Minuten – Gruppenbester!