In den letzten vier Tagen habe ich den Kepler Track gemacht, einen von Neuseelands "Great Walks". Ebenso wie beim Milford Track, den ich das letzte Mal absolviert habe, ist diese Bezeichnung wieder mehr als gerechtfertigt.
Der Kepler Track ist ein Rundkurs, der üblicherweise gegen den Uhrzeigersinn absolviert wird. Ich habe die Wanderung jedoch in der entgegengesetzen Richtung unternommen, weil beim Buchen (vier Tage vor Beginn) die Wettervorhersage für den zweiten Tag am schlechtesten war – und das wäre bei "normaler" Wanderrichtung genau jener Tag gewesen, den man im alpinen Gelände verbringt.
So bin ich am ersten Tag von Te Anau aus zuerst den See entlang spaziert, und bin dann aber (statt gleich den Aufstieg in die Berge zu beginnen) entlang des Waiau River in Richtung Lake Manapouri gewandert. Der Wanderweg führt dabei meist durch den Wald, nur an einer Stelle steht man plötzlich mitten in einem Moor. Wie sich dann (anhand der dortigen Info-Tafel) herausstellt, war die gesamte Gegend ursprünglich vermoort, bevor sie trocken gelegt und einer "sinnvollen" Verwendung zugeführt wurde.
Am Ufer des Lake Manapouri habe ich dann die erste Nacht in der Moturau Hut verbracht. Von den anderen Wanderern, die (aus der Gegenrichtung kommend) auch in der Hütte übernachtet haben, habe ich mich schließlich sogar zu einem kurzen Bad im (eher kalten) See überreden lassen. Mit einigen dieser Wanderer habe ich dann später in der Hütte noch geplaudert, und so ist mir auch abends nicht fad geworden.
Am nächsten Tag ist die Wanderung dann entlang eines anderen Flusses, dem Iris Burn, weiter in den Fiordland-Nationalpark hinein gegangen. Nachdem das Tal aber eher breit ist, bin ich wieder durch dichten Wald spaziert, und habe den Fluss meist nur in der Ferne rauschen gehört. Nur einmal, ungefähr in der Mitte meiner Tagesetappe, ist man wirklich nah an den Fluss herangekommen.
Die letzte Dreiviertelstunde vor der Hütte wandert man dann durch eine sich plötzlich auftuende Lichtung, die jedoch durch einen massiven Felssturz, den sogannten "Big Slip", im Jänner 1984 verursacht wurde, der damals alle Bäume in dieser Gegend entwurzelt hat. So bekommt man als Wanderer aber zum ersten Mal einen guten Blick aufs gesamte Tal des Iris Burn.
Von der Iris Burn Hut, meiner zweiten Unterkunft, führt auch ein kleiner, rund zwanzigminütiger Abstecher zum Iris Burn Waterfall, der ja ganz idyllisch wäre, wenn man nicht sofort von Sandflies "überfallen" werden würde. So ist aus meinem geplanten Füße-ins-Wasser-Strecken nichts geworden, sondern ich habe schnell wieder Reißaus genommen.
Obwohl ich den (fast) ganzen Tag im Schatten des Waldes unterwegs war, hat mich im Bereich des "Big Slip" offensichtlich die Sonne doch ganz schön erwischt, denn am Abend habe ich das (wohl gemischt mit der Anstrengung der Wanderung) dann doch deutlich gespürt. So gesehen war ich ganz froh, dass sich der Aufenthaltsraum nach dem Hut Talk (am Abend hält der Ranger immer eine mehr oder weniger lange Rede über die Hütte und die bevorstehende Etappe; Anm.) überraschend schnell geleert hat, und fast alle in ihren Schlafsäcken verschwunden sind, obwohl es gerade einmal 20.30 Uhr war. So bin ich halt auch schon gegen 21.00 Uhr schlafen gegangen, um für den nächsten Tag gut ausgeruht zu sein.
Da habe ich nämlich endlich den Aufstieg ins alpine Gelände in Angriff genommen. Ich bin mit einigem Respekt an die Sache herangegangen, denn den vielen warnenden Stimmen in der Hütte am Vorabend (Der Weg ist ja so steil!
) ist nur ein Bericht eines Deutschen, den ich in den Catlins getroffen habe, entgegen gestanden, der die Wanderung in derselben Richtung wie ich absolviert und den Aufstieg als nicht so schlimm
klassifiziert hat.
So bin ich also den Serpentinenweg (mit 97 Kehren, wie ich später erfahren sollte – das Selber-Zählen habe ich bald aufgegeben) über eine, wie ich meine, ganz angenehme Steigung hinaufgestapft und habe die ganze Zeit auf die gar so steilen Stücke gewartet. Zwar gab es zwischendurch (für vier oder fünf Kehren) eine etwas steilere Passage, aber nicht unbedingt das, womit ich nach den Berichten am Vorabend gerechnet hätte. Nach zwei Stunden habe ich dann die Baumgrenze erreicht, und hatte meinen ersten Ausblick auf die umliegenden Berge.
Dort habe ich dann auch ein aus der anderen Richtung kommendes österreichisches Pärchen getroffen, mit dem ich ein wenig geplaudert habe. Danach waren es nur noch wenige Kehren bis zum Berggrat, bei dessen Erreichen ich beinahe einen Luftsprung vor Begeisterung ob der tollen Aussicht gemacht hätte, wenn nicht mein Rucksack so schwer gewesen wäre. So bin ich nur mit einem breiten Grinsen verblüffend leichtfüßig zu einem kleinen Aussichtspunkt hochgesprintet, um meinen ersten kompletten Rundblick zu genießen.
Das Lachen ist mir dann aber doch noch kurzzeitig vergangen: Am Berggrat musste ich nämlich noch einige Treppen absolvieren – und es ist etwas ganz anderes, einen Serpentinenweg hochzuschlurfen, als sein gesamtes Körpergewicht plus das Gewicht des Rucksacks auf einmal von Treppenstufe zu Treppenstufe hochzuwuchten. Schlussendlich habe ich diese Treppen aber auch überstanden, und bin die nächsten Stunden (vorwiegend bergab) den Berggrat in Richtung Mt. Luxmore entlang spaziert. Dabei war ein Ausblick großartiger als der andere.
Während ich (ohne Rucksack) einen kurzen Abstecher zum Gipfel des Mt. Luxmore unternommen hat, hat sich, wie ich nach meiner Rückkehr bemerkt habe, ein Kea an meinem Rucksack gütlich getan – gottseidank ohne weiteren Schaden anzurichten. Diese Vögel sind nämlich unglaublich intelligent, und schaffen es sogar, Reißverschlüsse zu öffnen!
Eine gute Stunde danach habe ich schließlich die letzte Hütte, Luxmore Hut, erreicht, von der aus man einen traumhaften Ausblick auf den Lake Te Anau hat.
Heute, am vierten und letzten Tag meiner Wanderung, ist schließlich "nur" noch der Abstieg zum Lake Te Anau und eine Wanderung entlang des Ufers desselben auf dem Programm gestanden. Doch auch dabei gab es noch ein paar letzte, schöne Ausblick zu genießen – vor allem dank der angenehmen (und warmen) Morgensonne. So war auch jener Teil entlang des Seeufers, den ich bereits am ersten Tag in der Gegenrichtung absolviert habe, keine Sekunde lang langweilig, da ich diesmal sogar einen Blick auf die soeben bestiegenen Berge erhaschen konnte.
Am Nachmittag gab es dann zur Feier meiner erfolgreichen Absolvierung des Kepler Track sogar noch eine Kunstflug-Vorführung der "Red Checkers" von der neuseeländischen Air Force mit Loopings, Formationsflügen, bodennahen Überflügen und allem, was dazu gehört.