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Hinauf zu den Engeln

In den letzten beiden Tagen habe ich meine erste alpine Wanderung dieses Aufenthalts unternommen: eine Zweitageswanderung im Nelson-Lakes-Nationalpark von St. Arnaud (einem Ort am Rande des Nationalparks) zum Lake Angelus (mitten in den Bergen) und zurück. Die Wanderung war zwar sehr anstrengend, aber schön – wobei sie bei etwas mehr Wetterglück wohl noch schöner hätte sein können.

Der erste Tag, der die spektakuläreren Ausblicke zu bieten gehabt hätte, war nämlich stark bewölkt, und leider hat die Bewölkung – entgegen der Prognose – bis zum späten Nachmittag nicht aufgerissen.

Doch der Reihe nach: Begonnen hat mein Tag mit einer eher faden Wanderung entlang einer Stichstraße zum Parkplatz beim eigentlichen Trail Head. Zwar hat mich gleich das erste Auto mitgenommen, aber das ist halt leider erst nach rund 45 Minuten Die-Straße-Entlang-Wandern dahergekommen. Vielleicht leiste ich mir das nächste Mal doch ein Wanderer-Shuttle, auch wenn man als Einzelperson für zwei zahlen muss.

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Pinchgut Track

Beim Parkplatz angekommen, habe ich den Pinchgut Track in Angriff genommen, der sich in Serpentinen den Berg hinauf windet. Dabei habe ich gleich einmal den Wanderweg verloren: An einer Stelle hat der Wald eine so einladende Öffnung gehabt, das ich durchspaziert bin, ohne mich umzudrehen und zu schauen, ob vielleicht die nächste Serpentine in die Gegenrichtung weitergeht. Plötzlich bin ich vor einem (gefühlt) 45° steilen Schotterhang gestanden. Zwar habe ich mich ein wenig gewundert, habe mir aber eingebildet, weiter oben (im Nebel) den Weg zu erkennen, und habe daher den Aufstieg in Angriff genommen.

Erst nachdem ich einige Meter auf allen Vieren nach oben gekrabbelt bin, bin ich endlich zu dem Entschluss gekommen, dass selbst die Neuseeländer eine solche Strecke nicht als Wanderweg bezeichnen würden (selbst wenn sie als "Tramping Route", d.h. nur für erfahrene Wanderer geeignet, klassifiziert ist) – vor allem, weil man da mit einem schweren Rucksack praktisch nicht hinunter kommt. Nachdem ich aber schon einige Meter aufgestiegen war, ist mir nichts anderes übrig geblieben, als genau das zu versuchen. Unter Zuhilfenahme aller vier Extremitäten und sonstiger Reibungsflächen, die ich zur Verfügung hatte, ist mir das auch ohne Abrutschen gelungen, aber trotzdem kann man diesen Abstieg am ehesten als Horrortrip auf dem Hosenboden umschreiben.

Wieder am eigentlichen Wanderweg angekommen, habe ich dann auch gleich die Serpentine entdeckt, die ich hätte nehmen sollen. So bin ich also weiter durch den nebelverhangenen Wald voller Moose und Flechten aufgestiegen.

Nach rund eineinhalb Stunden habe ich den Berggrat erreicht, der mich zu meinem Ziel führen sollte. Leider war dieser komplett in Wolken gehüllt, und es hat noch dazu ein ziemlich kalter Wind von Westen darüber geblasen, sodass mir nicht nur die (angeblich) grandiose Aussicht verwehrt war, sondern ich mich auch mit winddichter Jacke, Mütze und Handschuhe ausstatten musste.

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Ausblick vom Robert Ridge

Erst nach knapp zwei (von vier) Stunden Wanderung den Berggrat entlang hatte ich zumindest gelegentlich das Glück, dass die Wolken wenigstens stellenweise für ein paar Sekunden aufgerissen haben. Mein Mittagessen habe ich sogar in so etwas Ähnlichem wie Sonnenschein genießen können. Das ganze Panorama habe ich aber nie zu Gesicht bekommen.

So bin ich also weiter durch Wolken und Wind gestapft, und war ein wenig überrascht wie mutterseelenallein ich dort oben war: Abgesehen von vier Wanderern in der Gegenrichtung und zwei Israelis, die ich am Beginn des Berggrats überholt habe (was eine gewisse Beruhigung war, die beiden hinter mir zu wissen), habe ich in den ganzen sechs Stunden keine Menschenseele gesehen. Offensichtlich heißt eine "beliebte" Wanderung nicht unbedingt auch "gut besucht".

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Lake Angelus

Gegen 15.30 Uhr bin ich endlich bei der Hütte angekommen. Rund eineinhalb Stunden später haben die Wolken dann tatsächlich noch ein wenig aufgerissen. Ich war aber zu geschafft, um die paar Sonnenstrahlen für etwas anderes als für einen kurzen Spaziergang am Seeufer zu nützen. Daher habe ich auch auf einen Aufstieg auf den nahen Mount Angelus, von dem man angeblich (bei perfekten Bedingungen) einen Rundblick von der Tasman Bay bis zu den Kaikoura Ranges hat, verzichtet. Der Bericht eines Italieners, der oben dann in den Wolken gestanden ist, war so gesehen sogar eine nachträgliche Bestätigung dieser Entscheidung.

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Lake Angelus

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Cascade Track

Am nächsten Morgen war der Himmel dann tatsächlich strahlend blau, aber es war noch windiger als am Vortrag. Ich konnte aber die Vorstellung, nochmals den Berggrat (wieder mit andauerndem Seitenwind, und möglicherweise wieder mutterseelenallein) entlang zu wandern, nicht ertragen, und habe daher – trotz der Chance auf vermutlich grandiose Ausblicke – mich für einen Abstieg über den Cascade Track entschieden.

Dieser Wanderweg führt zwar anfangs sehr steil hinunter, aber dafür bin ich schnell aus dem Wind (und in die warme Sonne) gekommen. Nach nur 75 Minuten über einen steilen, steinigen (und daher ziemlich anstrengenden), aber auch sehr idyllisch gelegenen Wanderweg (Bächlein auf der einen, Wasserfall auf der anderen Seite) war ich bereits 450 Höhenmeter weiter unten.

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Cascade Track

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Travers River

Der Weg hat dann weiter durch den Wald, einen kleinen Fluss entlang, zum Travers River geführt. Letzterer fließt zwischen zwei Bergketten zum Lake Rotoiti, einem der beiden größten Seen im Nelson-Lakes-Nationalpark. Diesen Teil der Wanderung habe ich besonders genossen.

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Travers River

Zum Abschluss bin ich noch drei Stunden lang das Seeufer entlang zum Hauptort St. Arnaud gewandert. Leider hat auch dieser Weg – ähnlich wie der Abel Tasman Coastal Trail – nicht direkt am Seeufer entlang geführt, sondern es ist immer wieder über kleine Hügelchen auf und ab gegangen, was bei einer insgesamt fast acht Stunden dauernden Wanderung auch ganz schön anstregend sein kann.

Schlussendlich war ich gegen 16.40 Uhr endlich wieder zurück in der Jugendherberge, und konnte meine Erkenntnisse Revue passieren lassen:

  1. Ich werde mich in Zukunft noch genauer über die Beliebtheit von und (vor allem) die Wandererfrequenz auf meinen geplanten Routen erkunden, damit ich nicht wieder so mutterseelenallein im alpinen Gelände unterwegs bin.
  2. Ich kann, wenn die Wanderroute etwas anstregender ist, schon mehr essen als am Abel Tasman Coastal Trail, aber noch immer nicht so viel, wie ich (erneut) eingepackt habe.
  3. Die Anzahl der Leute in der Hütte spielt für meinen Schlafkomfort keine Rolle. Auch in einem nur spärlich belegten Zimmer sind die unbequemen Matratzen das viel größere Problem, das einem entspannten Schlaf im Weg steht.

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