Die letzten zwei Tage habe ich in Bialowieża verbracht, das (angeblich) inmitten des letzten Urwaldes (soll heißen: des vom Menschen nicht veränderten Waldes) Europas liegt. Ob das jetzt stimmt oder nicht, sei dahingestellt – es ändert jedenfalls nichts an der Tatsache, dass es sich um eine sehr schöne Gegend handelt.
Am ersten Tag meines Aufenthaltes habe ich gleich eine Tour ins streng geschützte Gebiet des Waldes unternommen, das man nur mit Führer betreten darf. Leider waren nur Touren auf Polnisch im Angebot (es gibt halt doch wenig internationale Touristen hier), aber nachdem eine Polin mit ihrem britischen Mann (*) in meiner Gruppe war, habe ich doch ein wenig mitbekommen. Abgesehen davon kann man den Wald mit imposanten Baumriesen, vielen Moosen und Flechten und überhaupt sehr üppigem Bewuchs auch ohne Erläuterungen genießen.
Am Nachmittag habe ich das nahe Tierreservat besucht, das einige der hier heimischen Tiere beherrbergt. Zwar waren Rehe, Hirsche und Wildschweine auch ganz interessant, Wölfe schon aufregender, aber die wahre Attraktion ist wohl das Wisent (Europäisches Bison), von dem rund 400 Tiere hier in der Gegend (in Freiheit) leben. Nachdem die Chance, es in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen eher gering ist, nehmen natürlich viele die Gelegenheit war, um es zumindest im Tierpark unter die Lupe zu nehmen. Auch für mich, der ja schon Amerikanische Bisons in freier Natur gesehen hat, war es ein Erlebnis. Besonders erstaunt war ich allerdings über die Kreuzung zwischen Kuh und Wisent, die wahrlich riesig ausgefallen ist – selbst im Vergleich zu einem ohnehin nicht gerade kleinen Tier wie dem Wisent.
Doch selbst die (sehr regulierte) Natur im sogenannten Palast-Park (benannt nach dem ehemals dort befindlichen Zarenpalast) kann (für einen kurzen Nachmittagsspaziergang) sehr reizvoll sein.
Am Abend habe ich dann (beim EM-Fußballspiel von Polen gegen Griechenland) anhand der Betreuerinnen der Jugendgruppe, die auch in der Jugendherberge übernachtet, festgestellt, dass auch Nonnen mitunter fußballbegeistert sind – in diesem speziellen Fall hat die eine sogar am lautesten von allen gejubelt.
Den heutigen zweiten Tag habe ich dann im Sattel verbracht – allerdings nicht in dem eines Pferdes, sondern auf dem (für mich viel angenehmeren) Fahrradsattel. Meine Tour hat mich über 105 Kilometer (!) in einer großen Runde durch die umliegende Wälder geführt (siehe untenstehende Karte). Das klingt jetzt vielleicht länger, als es sich für mich angefühlt hat; nur die letzten 20 Kilometer im (teilweise recht heftigen) Regen waren etwas zach.
Trotzdem hat sich der Ausflug ausgezahlt (es gibt ja schließlich deutlich schlechtere Zeitvertreibe als einen Tag lang den Wald zu genießen). Ich konnte bei meiner Runde beispielsweise feststellen, dass weite Teile des Gebiets mit Tümpeln bedeckt sind, an deren Rändern sogar recht langgezogene Schilfgürtel zu finden sind. Außerdem trifft man auf so manch interessantes Geschöpft, zum Beispiel einen ziemlich großen (Greif?-)Vogel, einen Fuchs – oder die lokale Dorfjugend, die ein Motorrad (vorne) und ein Fahrrad (hinten) mit einem Seil zusammengebunden hat, und so (einer am Motorrad, einer am Fahrrad) mit einem Irsinnstempo durch die Wälder braust. Minunter stößt man auch auf einen alten Zug samt Bahnstation, der sich jedoch ohne Gleise schwer tun wird, dort jemals wieder weg zu kommen.
Wie auf der Karte zu sehen ist, bin ich bei dieser Radtour manchmal auch sehr nahe an die weißrussiche Grenze gelangt. Ein bisschen ist es schon ein komisches Gefühl, dort hinüber zu schauen und zu wissen, dass die Leute dort – gleich hinter den Bäumen – die uns selbstverständlich erscheinenden Freiheiten nicht genießen können.
(*) ebenso wie ein weiterer nicht polnisch sprechender Mann, dessen Familiengeschichte, die er mir im Laufe der Tour erzählt hat, überaus abenteuerlich klingt, und ihn – kurz gesagt – zu einem Kolumbianer mit englisch-litauischen Wurzeln (und übrigens auch einem litauischen Pass, ohne ein Wort Litauisch zu sprechen) macht, der jetzt in Vancouver (Kanada) lebt